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Die Idee zum vorliegenden Schwerpunkt lieferte im Sommer diesen Jahres eine Kurzmeldung in der Süddeutschen Zeitung: Der Kunstbeutelträger gehe um in Hamburg, stand da zu lesen. Er (oder sie) sei anonym und verteile Geld. Nicht privates Mäzenat_innengeld wohlgemerkt, sondern öffentliche Fördermittel.
Der vorliegende Heftschwerpunkt multilingual heterolingual stellt Konzepte und Praxen von Heterolingualität bzw. Multilingualität vor, verstanden als politische, sprachwissenschaftliche, pädagogische Ansätze, die sich nicht locken lassen von Ideen eines bloßen (bunten) Nebeneinanders von Sprachen. Die deutlich jene Probleme ansprechen, die dadurch entstehen, dass „Sprache“ als nationale Sprache, als Einheit, Naturgegebenheit begriffen wird, zwischen den Sprachen Grenzen gesetzt und Sprachräume gleichsam als Territorien umfriedet werden.
Als Mitte Oktober dieses Jahres die Bilder von demonstrierenden Roma und Romni in der ostungarischen Stadt Miskolc durch internationale Medien gingen, war selbst aufseiten liberaler Kommentator_innen eine gewisse Erleichterung zu spüren.
Die Darstellung und Bearbeitung gesellschaftlicher Problem- und Konfliktfelder durch die Sozialreportage scheint in den letzten Jahren ein kleines Revival zu feiern. Dort, wo nicht bloß von vermeintlichen „Zentren“ oder „Normen“ aus auf scheinbare „Ränder“ oder „Abweichungen“ geblickt wird, verfügt diese Darstellungsform nach wie vor über gesellschaftskritisches Potenzial.
„Warum steigen die Mieten bloß SOHOch?“ steht seit rund einem Jahr in blauen Lettern auf eine Wand am Yppenplatz in Wien-Ottakring gesprayt. Die Wand gehört zu einem der schnieken neuen Cafés und Restaurants in der Gegend, die von manchen hier als Sinnbilder des Vordringens der viel bemühten bourgeoisen Bohemiens (sprich: Bobos) in „unser Grätzel“ wahrgenommen werden.
Wer queer als Werkzeug benutzen will, hat es immer schon mit einer nie fertig zu stellenden Baustelle zu tun. Während die einen die Natürlichkeit von (biologischem) Geschlecht und (hetero-normierter) Sexualität demontieren, werken andere an identitären Nischen oder undefinierten Zwischenräumen. Wieder andere suchen Verbindungstüren – manchmal auch Tunnel – zu anderen anti-hegemonialen Kämpfen, seien es Antifaschismus oder Antirassismus. Doch unabhängig davon,
Geert Wilders „Partei für die Freiheit“ machte es bei den niederländischen Parlamentswahlen im Juni 2010 vor; Jimmie Åkessons „Schwedendemokraten“ zeigten bei den Reichstagswahlen im September, dass es auch in Schweden funktioniert; und Heinz-Christian Straches FPÖ punktete damit bei den Wien-Wahlen im Oktober: Immer mehr Parteien der extremen Rechten stellen aktuell unter Beweis, dass mit antimuslimischem Rassismus Wahlen zu gewinnen sind.
Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK) zeigt sich erfreut: Nach zahlreichen gescheiterten Anläufen tritt das, was mittlerweile unter dem Namen „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“ (BMS) firmiert, dieser Tage nämlich doch noch in Kraft.
Dass es letztens „nur“ rund 15 Prozent der WählerInnen waren, die Ende April für die freiheitliche Präsidentschaftskandidatin Barbara Rosenkranz votierten, zerstreute für viele BeobachterInnen die in letzter Zeit wieder vermehrt artikulierte Sorge über den raschen Wiederaufstieg der FPÖ.
Insbesondere in den vergangenen Monaten, aber auch schon im Herbst vergangenen Jahres haben Studierende weltweit gegen die aktuellen „Bildungsreformen“ protestiert, gegen die Zurichtung der Lehre und Lernenden auf die Erfordernisse von kapitalistischer Verwertung und neoliberalem Elitismus, oder auch für die Abschaffung von Studiengebühren. Ein heißer Herbst kann folgen.
Der einseitige Fokus auf die Grenzen verstellt den Blick auf die vielfältigen Realitäten zeitgenössischer Migrationsbewegungen ebenso wie auf die widersprüchlichen Strategien staatlicher Kontrollpolitiken. Schließlich ist die – ihrerseits ja alles andere als einheitliche – Migrationspolitik in der EU bspw. weder daran interessiert noch dazu in der Lage, Migration einfach zu unterbinden.
Wir widmen uns in dieser Ausgabe jenen Facetten staatlicher Gewalt, die nicht nur als „Faust aufs Aug“ daherkommen, sondern als Beschnüffelung, als Einschüchterung, als Repression, auch durch das Wieder-in-Stellung-bringen von Gesetzesparagraphen, die einer „Inneren Sicherheit“ zuarbeiten.