Klagenfurt/Celovec braucht Kunst und Kultur
Das Kärntner Kulturgremium bezieht in einem offenen Brief Stellung zur Kulturpolitik in Klagenfurt | Celovec, die derzeit auf einen kulturellen Kahlschlag hinsteuert.
Kunst hilft das Leben leichter zu gestalten und erträglicher zu machen. Besonders in Krisenzeiten. Kunst und Kultur sind Triebfedern. Sie sind die Lebensversicherung, um den kalten Nächten durch Fantasie und Kreativität zu trotzen. Wir sind umgeben von Architektur, Büchern, Bildern, Filmen, Musik, Theater, oder schreiben, malen, komponieren, …selbst. Kunst ist eine Überlebensstrategie. Wir Menschen brauchen Kunst! Kunst und Kultur brauchen eine verlässliche und wertschätzende Kulturpolitik!
Das Kärntner Kulturgremium ist ein im Kärntner Kulturförderungsgesetz verankerter Beirat, der beratend für die jeweilige Landesregierung tätig ist. Das Gremium setzt sich aus 32 Expert*innen aus acht verschiedenen Fachbereichen zusammen. Weitere 32 Ersatzmitglieder unterstützen es in dieser Tätigkeit. Aktuell erarbeitet das Land in einem partizipativen Prozess und unter Einbindung des Kulturgremiums eine Kulturstrategie für Kärnten, in der auch die Landeshauptstadt eine essenzielle Rolle einnehmen sollte, da sie Standort wesentlicher kultureller Zentren und Sitz vieler freier Kulturinitiativen und Künstler*innen ist.
Das Kärntner Kulturgremium nimmt vor diesem Hintergrund mit großer Besorgnis einen sich anbahnenden kulturellen Kahlschlag wahr, den Klagenfurt/Celovec im Jahr 2025 umzusetzen plant. Vor allem dann, wenn kein Budget für das kommende Jahr erstellt werden kann. Die in diesem Fall in Kraft tretende 12tel Regelung (Pflichtausgaben des Vorjahres werden auf zwölf Monate aufgeteilt budgetiert) bedeutet de facto einen Förderstopp für sämtliche Ermessensausgaben, somit für die Bereiche Kunst und Kultur, Bildung, Sport, Soziales, etc. Konkret können alle Tätigkeiten, für die keine gesetzlich verankerte Förderverpflichtung besteht - begründet mit dem Argument „Einsparen“ - nicht mehr finanziert werden. Dies bedeutet daher nicht nur für die Kulturszene eine nicht mehr bewältigbare Situation, sondern auch für wesentliche andere Lebensbereiche.
Darüber hinaus ist bei einem Ausfall der Förderungen seitens der Stadt auch mit Konsequenzen auf Landes- und Bundesebene zu rechnen, da die derzeitige Förderpraxis eine „Drittellösung“ vorsieht, die bedeutet: fördert die Stadt, steigt das Land ein, steigt der Bund ein. Andersrum: der Bund steigt aus, wenn Stadt und/oder Land nicht fördern.
Der Kultursektor ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor: Kulturvereine und Kulturtätige sind Arbeitgeber*innen. Sie bestreiten laufende Kosten wie z.B. für Personal, Miete, Technik und Produktion. Sie zahlen Steuern und ermöglichen Künstler*innen ein Einkommen. Sie sind Auftraggeber*innen für Dienstleister*innen, den Einzelhandel, die Gastronomie und Hotellerie. Dies alles fließt direkt oder indirekt in die Wertschöpfung. Das österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) hat 2020 diese direkte und indirekte Wertschöpfung von Kunst und Kultur österreichweit mit 9,8 Mrd. beziffert. Jeder investierte Euro fließt mehr als drei Mal in die Wirtschaft zurück (Zitat Oliver Fritz, WIFO).
Eine Landeshauptstadt ohne funktionierende professionelle, künstlerische Tätigkeit setzt eine Abwärtsspirale in Gang. Als Wirtschaftsstandort, als Tourismusort, als Wohnort. Ohne Kunst und Kultur wird es still und leer auf den Straßen und Plätzen. Ohne Kunst und Kultur steuert Klagenfurt/Celovec in die Bedeutungslosigkeit, aus der auch die Koralmbahn keinen Weg hinauszufinden vermag.
Da in Klagenfurt/Celovec nach derzeitigem Kenntnisstand von Nichtfinanzierungen und damit drohenden Schließungen etlicher kultureller Spielstätten und Orte auszugehen ist, ersucht das Kärntner Kulturgremium die Stadtpolitik diesen Worstcase mit klaren Worten zu entkräften, und vor allem die für das kulturelle Leben in der Landeshauptstadt essenzielle Frage zu beantworten: Was ist der Plan?
Klagenfurt/Celovec, am 25.11.2024
Angelika Hödl, Vorsitzende Kärntner Kulturgremium
Mag.a Mag.a (FH) Alina Zeichen, Vorsitzende Stv.in Kärntner Kulturgremium
Sowie die Vorsitzenden der Fachbeiräte für:
Baukultur: DI Werner Kircher
Bildende Kunst: Mag. Ulli Sturm
Darstellende Kunst: Mag. Gerhard Lehner
Elektronische Medien, Fotografie und Film: Dr. MMag.a Sabrina Gärtner
Literatur: Dr. Gerhard Moser
Musik: Univ.-Prof.in Anna Morgoulets, MA
Volkskultur: Univ.-Prof. Dr. Klaus Schönberger
Wissenschaft: Mag. Dr. Postdoc-Ass.in Nadja Danglmaier