Kultur ermöglichen, aber sicher! Wie die Öffnung gelingen kann
Seit Monaten setzt sich die IG Kultur dafür ein, dass basierend auf Kennzahlen und damit evidenzgestützt und verantwortungsbewusst ein Plan für den schrittweisen Neustart des Kulturbereichs erarbeitet wird. Nun folgt auch die Politik diesem Weg. Bis Anfang Mai soll ein Plan zur Öffnung aller Bereiche - von Kultur über Sport bis zu Gastronomie und Tourismus - vorgestellt werden. Wie die Öffnung gelingen kann und welche Mindestanforderungen für die freie Kulturszene dabei berücksichtigt werden müssen.
Seit Monaten setzt sich die IG Kultur dafür ein, dass basierend auf Kennzahlen und damit evidenzgestützt und verantwortungsbewusst einen Mehrstufenplan für den schrittweisen Neustart des Kulturbereichs erarbeitet wird – eines Plans, der nachvollziehbare, transparente und im Vergleich zu anderen Sektoren vergleichbare Voraussetzungen für das Kunst- und Kulturleben schafft. Denn auch wenn sich die Pandemie nicht planen lässt, so lässt sich sehr wohl planen, welche Öffnungsschritte möglich sind, sobald es die relevanten Kennzahlen zulassen.
Wir begrüßen es daher ausdrücklich, dass die Regierung mit der „Öffnungskommission“ nun einen derartigen Plan vorlegen möchte. Auf die vagen Ankündigungen müssen nun schnell Fakten folgen; Fakten, die tatsächlich eine Planungsperspektive ermöglichen und die nächsten weiteren Schritte definieren; Und Fakten, die die Realitäten der freien Kulturszene berücksichtigen.
Zentrale Anforderungen sind:
- Gleichbehandlung des Kulturbereichs
gegenüber anderen Bereichen im Hinblick auf alle Regelungen. Die Mindestanforderung ist: Keine Schlechterstellung des Veranstaltungsbetriebs gegenüber der Gastronomie; keine Schlechterstellung von Ausstellungsräumen / Museen gegenüber dem Handel geben darf. Im Gegenteil: Es müssen die monatelangen positiven Erfahrung des Kulturbereichs mit Präventionskonzepten und die Evidenzen aus zahlreichen Studien zum äußerst geringen Infektionsrisikos bei Kulturveranstaltungen im Vergleich zu anderen Bereichen in alle Öffnungsschritten gebührend berücksichtigt werden – im Sinne eines faktenbasierten Öffnungsplans.
- Beibehaltung der etablierten Maßnahmen des Vorjahres, keine Verschärfung
Der Kulturbereich verfügt über monatelange Erfahrung mit Präventionskonzepten, die sich bewährt haben. Durch FFP2-Maskenpflicht sowie Ausweitung der Testungen und Impfungen wurden die Sicherheitsmaßnahmen allgemein bereits verschärft. Eine weitere Verschärfung der Maßnahmen, wie etwa Quadratmeteranforderungen für Kulturveranstaltungen oder Ausweitung des Mindestabstands, wäre weder nachvollziehbar noch sachlich begründbar. Bewährte Konzepte wie der 1 Meter seitlicher Mindestabstand sind beizubehalten.
- Ermöglichen als Ausgangspunkt aller Überlegungen
Für kleine Kultureinrichtungen und die freie Szene können etwa in einem ersten (!) Schritt Obergrenzen ab 100 Personen durchwegs Sinn machen, siehe Beispiel Vorarlberg, und müssen nicht im vierstelligen Bereich starten. Entscheidend ist aber, dass es vorab bereits einen klaren Fahrplan zu den weiteren Schritten gibt, sodass jede Kultureinrichtung beurteilen kann, ab wann eine Öffnung wirtschaftlich vertretbar möglich ist und entsprechende Planungen aufgenommen werden.
- Schneller Start für „Kultur im Freien“
Zum Ermöglichen zählt auch, Kultur im Freien möglichst bald zuzulassen. Überlegungen, die ausschließlich eine Öffnung von Gastronomie im Freien (Stichwort: Gastgärten) vorsehen, nicht jedoch von Kulturveranstaltungen im Freien, entbehren jeder sachlichen Nachvollziehbarkeit. Ziel ist, sichere Settings für soziale Begegnung und Austausch zu bieten – Kultur im Freien kann dies sofort ermöglichen. Sie stützt sich auf monatelange Erfahrung aus letztem Jahr und bietet durch Maskenpflicht, Mindestabstände und Co. ein hohe Sicherheit.
- Kein Gastronomie-Verbot bei Veranstaltungen
Insbesondere für kleinere Kulturstätten ist der Ausschank von Getränken und die Ausgabe von Speisen entscheidend, um kostendeckend arbeiten zu können. Eine räumliche Trennung zwischen Gastro- und Veranstaltungsangebot ist vielfach nicht möglich. Sobald die Gastronomie öffnen darf, ist nicht nachvollziehbar, warum Gastro-Angebot unter vergleichbaren Bedingungen im Rahmen von Veranstaltungen nicht möglich sein sollen.
- Aufhebung von Sperrstunden, Ausweitung für Veranstaltungen bis zumindest 22 Uhr
Ohne Ausweitung der Sperrstunde ist es für berufstätiges Publikum kaum möglich, unter der Woche an Veranstaltungen teilzunehmen. Ein Hochfahren des Kulturbetriebs ausschließlich für den Nachmittags- oder Wochenendbetrieb ist höchst ineffizient. Angesichts der verstärken Sicherheitsmaßnahmen für Teilnehmende an Veranstaltungen (Stichwort: Zutrittstests) sollte die Sperrstunde auf zumindest 22 Uhr ausgeweitet werden, wenn nicht gar fallen.
- Zulassen von Besucher*innengruppen
Sowohl für Besucher*innen-Erlebnis und Akzeptanz des Publikums, als auch für die praktische Durchführung ist entscheidend, dass Personen die gemeinsam eine Veranstaltung besuchen auch nebeneinander ohne Mindestabstand sitzen dürfen. Eine Beschränkung auf Personen, die in einem gemeinsamen Haushalt leben, ist weder praktikabel (Stichwort: Ticketing, Kapazitätsnutzung, Kontrollerfordernisse), noch zielführend. Nicht zuletzt muss auch hier Gleichbehandlung in den Anforderungen gegenüber der Gastronomie gelten.
- Erlauben von Proben und Produktionen, an denen Amateur*innen mitwirken
Für professionelle Produktionen ist es unerlässlich, dass alle Mitwirkenden an der Vorbereitung mitwirken können – unabhängig davon, ob es sich dabei um „berufliche Tätigkeiten“ handelt oder nicht. Gerade in der freien Szene ist die Mitarbeit ehrenamtlich Tätiger unerlässlich; und die Einbeziehung und Partizipation von „Amateur*innen“ vielfach integraler Bestandteil künstlerischer Konzepte. Dies muss unter Einhaltung der bewährten Präventionskonzepte und Sicherheitsmaßnahmen rechtssicher möglich sein.
Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Aspekte, die in den Öffnungsplan einfließen müssen: Etwa die frühzeitige Veröffentlichung von Rechtsgrundlagen, um Vorlaufzeiten für die Umsetzung zu ermöglichen; die Schaffung praktikabler, nachvollziehbarer Kriterien für allfällig erforderliche Zutrittstests und deren Kontrolle; oder die Ermöglichung von Kulturvermittlung und pädagogischer Kulturarbeit, insbesondere von Schulveranstaltungen und schulbezogener Veranstaltungen mit schulfremden Personen für Kinder und Jugendliche.
In zahlreichen Gesprächsrunden mit Vertreter*innen des Gesundheits- und des Kulturressorts konnte die IG Kultur Österreich diese Anforderungen bereits darlegen. Bislang gleicht der Austausch jedoch oft einer Einbahnstraße, in der die Anliegen zwar gehört, jedoch nicht vertiefend diskutiert werden. Ob die Anliegen der freien Kulturarbeit im angekündigten Öffnungsplan berücksichtigt werden oder nicht, bleibt daher abzuwarten. Es muss im Interesse der politisch Verantwortlichen liegen, gemeinsamen an Lösungen für eine schrittweisen Neustart zu arbeiten der die Vielfalt des Kulturlebens für alle sichert. Ganz nach dem Motto: Kultur ermöglichen? Aber sicher!