„Ein bisschen Musik, ein bisschen Kultur“ - Stellungnahme der IG Kultur Vorarlberg zum Kultur-Neustart in der Modellregion Vorarlberg
Äußerst irritiert zeigt sich die IG Kultur Vorarlberg von den Ankündigungen erster Öffnungsschritte in Vorarlberg, die ab Mitte März neben Sport und Gastronomie auch die Kultur berücksichtigen sollen. Meldung vom 2. März 2021
„Ein bisschen Musik, ein bisschen Kultur“
Äußerst irritiert zeigt sich die IG Kultur Vorarlberg von den Ankündigungen erster Öffnungsschritte in Vorarlberg, die ab Mitte März neben Sport und Gastronomie auch die Kultur berücksichtigen sollen, allerdings fehlen für einen soliden Planungshorizont die notwendigen Details. „Die Informationen sind viel zu rudimentär, um daraus etwas Konkretes für die Praxis ableiten zu können,“ gibt Mirjam Steinbock, Geschäftsführerin der IG Kultur Vorarlberg, zu bedenken. „Das ist etwas, das wir aus der Kommunikation eines ganzen Jahres zur Genüge kennen, das akzeptieren wir aber nicht mehr. Bis die politisch Verantwortlichen die Details ausgearbeitet haben, bleiben uns in diesem Fall vielleicht noch sieben Tage Zeit zur Umsetzung. Das ist viel zu knapp, so kann man vielleicht Politik machen, Kunst und Kultur aber nicht. Wir brauchen einen Planungshorizont.“
Nicht nur ein Schlüsselumdrehen
Neben fehlenden Rahmenbedingungen sei zudem fraglich, für welches Zielpublikum die Kulturöffnungen gelte: „Getestet, geimpft und mit Abstand? Lediglich Kinder und Jugendliche in Kulturveranstaltungen? Welche Kontrollen braucht es, müssen Behörden informiert werden, braucht es im Zuge der Veranstaltungsplanen besondere Verträge, auch, um auf Maßnahmen wie den Schutzschirm als Ausfallhaftung zugreifen zu können? Was ist insgesamt an Organisation erforderlich für Bewerbung, Personalaufwand, Marketing? Selbst bei der kleinsten Kulturinitiative steckt ein Riesenapparat dahinter, bevor die Künstler*innen die Bühne betreten. Das ist nicht lediglich ein Schlüsselumdrehen, damit verkennt man die Arbeitsabläufe in der Kultur total“, kritisiert Steinbock. All das sei im Dunklen geblieben bei dieser Pressekonferenz: „An Intransparenz nicht zu überbieten, dieser Auftritt.“
Weitreichendere Maßnahmen und Schritte gefordert
Dass Vorarlberg, wie von Landeshauptmann Markus Wallner in der Pressekonferenz erläutert, nun als Modellregion gelte und im Bundesländervergleich auch die Kultur früher öffnen dürfe, habe laut IG Kultur Vorarlberg zwei Seiten: „Selbstverständlich warten wir im Kultursektor händeringend darauf, öffnen zu können. Gesundheitspolitisch vertretbare Veranstaltungskonzepte beherrschen Einrichtungen und Akteur*innen mittlerweile aus dem Effeff und der Großteil steht tatsächlich vor den Startlöchern“, so Mirjam Steinbock. „Wir haben unsere Hausaufgaben jedenfalls gemacht. Zu berücksichtigen ist aber, dass jeder noch so kurze Sprint eine gründliche Aufwärmung braucht, sonst kannst du das Rennen gleich knicken, wenn wir mal in der bildlichen Sprache der Bundespolitiker bleiben wollen“, fasst die Interessenvertreterin zusammen und kritisiert einmal mehr den fehlenden Planungshorizont. „Zwar sprach Bundeskanzler Kurz davon, dass Österreich ein Tourismus- und Kulturland sei und ein großer Teil der Wertschöpfung an diesen Branchen hänge, gemessen an der Berücksichtigung des Kultursektors während der Pandemie ist das jedoch nichts weiter als ein Feigenblatt. Da müssen schon weitreichendere Maßnahmen und Schritte kommen, um ihm Glauben schenken zu können. So wird die Kulturnation jedenfalls eher niedergebügelt als wieder hochgefahren.“
Auch bezüglich der Ankündigungen von Landeshauptmann Wallner fehlen der IG Kultur Vorarlberg vorausschauende Handlungen und der Wille, ein vielfältiges Kulturleben zu erhalten. Im Zuge der Neuöffnung von ‚ein bisschen Musik und ein bisschen Kultur‘ zu sprechen, sei laut der Interessenvertretung alles andere als wertschätzend und werde der permanenten Arbeit der Vorarlberger Kulturszene bei weitem nicht gerecht. Diese sei aber im Jahresbudget 2021 bereits mit fehlenden Investitionen und Kürzungen im Förderwesen abgestraft worden. „Welch ein Versäumnis, die Widerstandsfähigkeit und motivierte Kreativität der Kunst- und Kulturschaffenden nicht zu nutzen und mit entsprechenden Mitteln auszustatten.“ Den von LH Wallner kommunizierten Mut könne man angesichts der aktuellen Ankündigungen jedenfalls nicht bestätigen, so Steinbock. „All die zukunftsorientierten Konzepte der Kultureinrichtungen und die permanenten Vorschläge zum Neustart zu ignorieren und sich nun mit diesen vagen, sehr unkonkreten Aussagen selbst als mutig zu bezeichnen, ist schon verwegen. Entweder die politisch Verantwortlichen haben noch immer keine Ahnung von den Abläufen der Kulturarbeit oder sie waren bei all den runden Tischen der vergangenen Monate taub. Wahrscheinlicher ist, dass die politischen Interessen ganz woanders liegen“, mutmaßt die Interessenvertreterin.
Rückfragen:
Mirjam Steinbock, Geschäftsführerin IG Kultur Vorarlberg
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Artikel- und Porträtfoto Mirjam Steinbock von ©Niklas Koch