Covid-19 und seine Auswirkungen auf Vorarlbergs Kultureinrichtungen und Kulturakteur*innen in Zahlen
Die Präsentation erster Zahlen und Einschätzungen der IG Kultur Österreich zu den Auswirkungen der Covid-19-Maßnahmen zeichnen auch in Vorarlberg ein ernüchterndes Bild von der Gefährdung gemeinnütziger Kulturorganisationen. 368 unabhängige Kulturvereine und -einrichtungen nahmen in Österreich an der Befragung teil, in Vorarlberg waren es davon 7%.
Die Erhebung beinhaltete u.a. Fragen zum erwarteten finanziellen Schaden der Veranstaltungseinschränkung beginnend vom 10. März bis zum vorläufigen Ende des generellen Verbots am 13. April und einer Einschätzung des Schadens bis Juli 2020, sollte das Veranstaltungsverbot noch länger andauern. Bundesweit sind über 4.000 Veranstaltungen in diesem Zeitraum betroffen, es entstand ein Schaden von mindestens 4,5 Millionen Euro. In Vorarlberg beläuft sich dieser auf mindestens 184.000 Euro.
Von den finanziellen Unterstützungen in Form von Soforthilfen und Fonds erhalten autonome Kultureinrichtungen jedoch bislang noch nichts, sie sind aus den bestehenden Unterstützungsfonds des Bundes explizit ausgeschlossen. Von Landesseite gibt es bis dato eher vorsichtige Aussagen zur unmittelbaren Unterstützung wie bspw. der Auszahlung von Fördertranchen bereits zugesagter Förderansuchen in Einzelfällen.
Nicht nur Kultureinrichtungen benötigen jetzt eine schnelle und unbürokratische Unterstützung, auch Kunst- und Kulturschaffende in hybriden Arbeitsformen mit Einkünften aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit und geringfügig Beschäftigte müssen bei existenzsichernden Maßnahmen berücksichtigt werden.
Zahlen und Rückmeldungen aus Vorarlberg
Die Rückmeldungen von Kultureinrichtungen in Vorarlberg waren erwartungsgemäß divers. Bei einzelnen ist bereits ein hoher finanzieller Schaden entstanden während es für andere, deren Programm oder Projekte zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden sollen, noch keine großen finanziellen Einbußen gibt. Eine Verlängerung des Veranstaltungsverbots könnte aber rasch drastische Auswirkungen hervorrufen. Unsicherheiten und mangelnde Planbarkeit entstehen vor allem dann, wenn es noch keine Förderzusagen von Land und Bund gibt. Problematisch wird es auch bei Lohnkosten – hier stehen viele Einrichtungen vor Herausforderungen. Einerseits sollten Kosten eingespart werden, was für manche mithilfe des Covid-19-Kurzarbeitsmodells möglich ist. Für andere entsteht gerade jetzt ein höherer Arbeitsaufwand und unterschiedliche Beschäftigungs-formen zeigen das Dilemma des Kunst- und Kulturbetriebs, wie eine Kultureinrichtung in einer Rückmeldung deutlich macht: „Wir haben drei angestellte Mitarbeiterinnen und sehr viel geringfügig Beschäftigte. Für eine Pensionistin, die die Geringfügigkeit bis zu 450 Euro monatlich ausschöpft, fällt der Verdienstentgang stark ins Gewicht. Auch dafür braucht es Unterstützung. Kurzarbeit kommt für uns nicht in Frage, weil wir im Büro im Moment mehr arbeiten als sonst.“
Stundungen von Steuervorauszahlungen und Sozialversicherungsabgaben stellten laut der Einrichtungen auch keine wesentliche Entlastung dar, da sich die Problematik lediglich um weitere Monate verlagere.
In Vorarlberg gab es zu den Unterstützungsmöglichkeiten folgende Aussagen:
- 55 % würden von einem Erlass der Mietkosten profitieren
- 27% können oder wollen das Corona-Kurzarbeitsmodell nutzen
- 23% würden von einer Herabsetzung oder Stundung der Sozialversicherungsbeiträge profitieren
- 27% erhoffen sich Erleichterungen durch eine Herabsetzung der AKM-Gebühren
- 14% würden von einer Herabsetzung oder Stundung der Steuervorauszahlungen profitieren
Vielen Vereinen fallen neben den Einnahmen durch Eintritte auch solche durch Vermietungen und Sponsoren weg. Der Eigenmittel-Anteil ist bei etlichen Einrichtungen hoch, besonders bei denen, die keine Zuwendungen von öffentlicher Hand erhalten. Personalkosten müssen laut Angabe einzelner Kultureinrichtungen auch über Subventionen abgedeckt werden, was sonst nicht üblich sei. Eine weitere Problematik ergibt sich bei europäisch angelegten Projekten, deren Umsetzung aktuell durch Reisebeschränkungen gefährdet wird. Auf Kommunalebene gibt es in Vorarlberg derzeit einzelne gute Beispiele zur niederschwelligen Unterstützung von Kultureinrichtungen und Kunstschaffenden wie Mietkostenreduktionen, unaufgeforderten Auszahlungen von Fördermitteln und -tranchen oder Kunstankäufen.
Sollte das Verbot bis Ende Juli gelten, würde sich der befürchtete Schaden in Vorarlberg laut der ersten Datenerhebung auf insgesamt 741.000 Euro belaufen.
Fragenkatalog der IGs an die Vorarlberger Landesregierung
Gemeinsam mit der IG Freie Theater / Vorarlberg und der Berufsvereinigung Bildender Künstlerinnen und Künstler Vorarlbergs erstellte die IG Kultur Vorarlberg einen Fragen- und Maßnahmenkatalog zur Unterstützung von autonomen Kultureinrichtungen und freien Kunst- und Kulturschaffenden in Vorarlberg. Er wurde diese Woche Landesrätin Barbara Schöbi-Fink mit der Bitte um Beantwortung vorgelegt. Aus dem Katalog ergab sich eine dringliche Priorisierung der Fragen, was mit jenen Kulturakteur*innen und Einrichtungen passiert, die nicht im Förderwesen berücksichtigt und auch den Förderbedingungen der aktuellen Covid-19-Fonds vom Bund nicht entsprechen. Außerdem weisen die Interessensvertretungen darauf hin, dass es ähnlich den Modellen in den Bundesländern Salzburg und Steiermark zur Soforthilfe für Kulturakteur*innen sowie dem Arbeitsstipendium für Kunstschaffende der Stadt Wien auch in Vorarlberg dringend niederschwellig angelegte und unmittelbar umzusetzende Maßnahmen benötige.
„Neben der großen Unsicherheit, die alle Veranstalter*innen und Kulturinitiativen betrifft, ist die Lage für Vereine extrem bedrohlich, wo die Vorstände persönlich haften. Es wird wieder klar, dass Kunst- und Kulturschaffende in so vielen verschiedenen Strukturen ihr Geld verdienen, mal angestellt, mal freiberuflich, mal als Unternehmer*in, und dass sie deshalb unendlich große Mühe haben, zu einem der inzwischen etablierten Unterstützungstöpfe zugelassen zu werden. Kunst- und Kulturarbeit passt nicht ins Raster. Ich weiß von vielen Kolleg*innen aus Theater und Tanz, die derzeit mit juristischen Fragen und Formularen kämpfen, um irgendwie über die Runden zu kommen. Diese bürokratische Arbeit gehört nicht zum Kernaufgabengebiet. Daher wäre eine wirklich einfache und unbürokratische Hilfe dringend notwendig für Härtefälle. Am schönsten wäre ein vorübergehendes Grundeinkommen oder eine Art Stipendium“, so Barbara Herold, Bundeslandsprecherin der IG Freie Theater
Maria Simma, Präsidentin der Berufsvereinigung ergänzt zur prekären Lage Bildender Künstlerinnen und Künstler Vorarlbergs: „Gerade jetzt scheint die Welt erkannt zu haben, wie sehr die Künste gebraucht werden, um zu überleben. Kostenlose Opern, kostenlose Bücher und Lesungen, kostenlose Konzerte, kostenlose Ausstellungen, kostenloses Theater, alles online. Wie sehr erfreuen wir uns über diese Inhalte von Zuhause aus. Für jene, die sie erstellen, ist dies jedoch mit enormen Kosten verbunden. Und die Kreativen, die Künstlerinnen und Künstler bleiben unbezahlt, wie so häufig. Gerade jetzt sind wir als Gesellschaft dazu aufgefordert, die enormen bis zu existenzgefährdenden Ausfälle dieser Personen aufzufangen. So sind auch sie es, die uns daran erinnern, dass die Menschheit mehr ist als die Summe ihrer Ängste.“
Bis dato wurde die Anfrage der drei Interessensgemeinschaften noch nicht beantwortet. In einem persönlichen Gespräch erhoffen sich die IGs konkretere Auskünfte und Soforthilfemaßnahmen für die Kunst- und Kulturszene des Landes. Mirjam Steinbock, Geschäftsführerin der IG Kultur Vorarlberg wendet sich mit einem Appell an die Landesregierung: „Diese faktenbasierte Erhebung trägt maßgeblich dazu bei, das Ausmaß der Covid-19-Maßnahmen für die freie Szene zu erkennen.Die gesamte Kunst- und Kulturszene Vorarlbergs inklusive der gemeinnützigen und oft ehrenamtlich tätigen Vereine und der Kunst- und Kulturschaffenden, die noch nicht gefördert oder berücksichtigt wurden, sollte doch mit dem zusätzlichen Unterstützungspaket des Landes von über 100 Millionen Euro ebenfalls aufgefangen und am Leben erhalten werden können.“
Presseaussendung vom 03.04.2020 von IG Kultur Vorarlberg
In Anlehnung an die Presseaussendung der IG Kultur Österreich und in Zusammenarbeit mit IG Freie Theater / Vorarlberg und Berufsvereinigung Bildender Künstlerinnen und Künstler Vorarlbergs
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IG Freie Theater
Barbara Herold, Bundeslandsprecherin
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barbara.herold@icloud.com
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Berufsvereinigung Bildender Künstlerinnen und Künstler Vorarlbergs
Maria Simma, Präsidentin
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ms@kuenstlerhaus-bregenz.at
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IG Kultur Österreich
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+43 1 503 7120
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