We are here, we are queer!
Anlässlich des 10. Jubiläums der Pride Klagenfurt/Celovec organisierten queer-feministische Vereine, Kulturarbeiter:innen und Künstler:innen im Juni ein vielfältiges Programm und rückten damit die Bedürfnisse, Forderungen sowie die Lebensrealität der queeren Community in Kärnten/Koroška in den Fokus.
Ob deseti obletnici Parade ponosa v Celovcu so queer-feministična društva, kulturni delavci in umetniki junija pripravili raznolik program ter v ospredje postavili potrebe, zahteve in življenjsko realnost kvir skupnosti na Koroškem.
Zehn Jahre Pride in Kärnten|Koroška – Unsichtbar? Unaufhaltsam!
2025 blickt Kärnten|Koroška auf ein Jahrzehnt queerer Sichtbarkeit zurück. Was mit einer kleinen Parade begann, hat sich zu einer vielstimmigen Kulturbewegung entwickelt. Der zehnte Geburtstag der Pride Klagenfurt/Zelovci war Anlass für eine Reihe von Veranstaltungen, Ausstellungen und künstlerischen Produktionen – getragen von zivilgesellschaftlichem Engagement, queerfeministischen Initiativen und kulturpolitischen Interventionen.
Eine neue Folge der Podcastreihe „KiKK off za kulturo“ widmet sich diesem Jubiläum und fragt: Wie verändert queere Kulturarbeit das gesellschaftliche Klima? Welche Räume entstehen – jenseits urbaner Zentren, jenseits abgesicherter Fördertöpfe?
Sichtbarkeit organisieren, Öffentlichkeit herstellen
Im Zentrum der Episode steht die Arbeit des Vereins Queerinthia, der 2020 gegründet wurde, um queere Lebensrealitäten in Kärnten|Koroška sichtbar zu machen. Die Entwicklung der Pride – von anfänglich 40 auf mittlerweile rund 1000 Teilnehmer*innen – ist Ausdruck dieser Sichtbarkeit. Doch auch im Jubiläumsjahr fehlen öffentliche Förderungen, finanzielle Mittel stammen vorwiegend aus Eigenleistung und punktuellem Sponsoring.
Neben der Parade wurde ein umfassendes Kulturprogramm realisiert: Zwei Abende Dragperformances, ein künstlerischer Rückblick auf die letzten zehn Jahre, Workshops und Community-Treffen. Eine zentrale Rolle spielte die Ausstellung Unsichtbar, unaufhaltsam im Kärntner Landesmuseum – kuratiert von Daniel Hill, getragen von lokalen Initiativen. Themen wie Fürsorge, Repression, Protest und Erinnerung wurden dabei ebenso aufgegriffen wie der bis heute unvollständig dokumentierte Beitrag queerer Menschen zur Regionalgeschichte.
Theater als Möglichkeitsraum
Auch das Theater wurde zum Ort queerer Intervention: Mit QUEERinthia brachte das Stadttheater Klagenfurt eine dokumentarisch-fiktionale Produktion auf die Bühne, die queere Biografien in Kärnten erzählt. Regisseur Noam Brusilovsky beschreibt das Stück als „queeres Märchen“ – verankert in realen Erfahrungen, entstanden im Austausch mit regionalen Initiativen.
Das Echo war vielschichtig: volle Säle, offene Neugier – aber auch Hasskommentare und eine Polizeipräsenz bei ausgewählten Aufführungen. Die Reaktionen machen deutlich, wie sehr Sichtbarkeit immer auch Verwundbarkeit bedeutet – und wie wichtig institutionelle Solidarität in solchen Momenten wäre.
Kollektive Räume auf dem Land
Abseits der Städte entstehen seit einigen Jahren neue Formen des Zusammenlebens. Das queerfeministische Kollektiv GemSe betreibt im Gailtal einen ehemaligen Landgasthof als Projekt- und Wohnraum. Hier werden kollektive, solidarische und ökologische Lebensmodelle erprobt – mit Komposttoilette, Werkstätten, Veranstaltungsräumen und offener Bibliothek.
GemSe war auch an der Ausstellung im Landesmuseum beteiligt und versteht sich als Beitrag zur Transformation patriarchaler Strukturen. Sichtbarkeit ist hier nicht Imagepflege, sondern Überlebensstrategie: Eine Progress-Flag am Haus, Gespräche mit Nachbar*innen, Präsenz im öffentlichen Raum.
Der politische Anspruch: Räume schaffen, in denen Fürsorge, Widerstand und kulturelle Praxis zusammenkommen.
Kulturarbeit unter prekären Bedingungen
Ob Ausstellung, Parade oder Theaterstück – viele der genannten Projekte wurden ohne strukturelle Förderung realisiert. Es fehlt an fairer Bezahlung, an langfristiger Absicherung, an politischer Rückendeckung. Zugleich zeigen Initiativen wie Queerinthia und GemSe, dass Kulturarbeit auch jenseits institutioneller Infrastruktur Möglichkeitsräume eröffnen kann – wenn Vertrauen, Eigeninitiative und Solidarität zusammenkommen.
Für IG KiKK ist klar: Wer kulturelle Teilhabe, Vielfalt und Transformation ernst nimmt, muss diese Räume absichern – mit Ressourcen, Aufmerksamkeit und gerechter Kulturpolitik.