(Kultur)Arbeit der Zukunft!? Die neue Publikation der Vorarlberger Autorin Sabine Benzer

Bereits in "Warum macht uns Kultur so glücklich?" stellte die Kulturvermittlerin und Pädagogin Sabine Benzer eine These in den Raum, die sie mit verschiedenen Expertinnen und Experten in einem Buch zusammengefasst ausgiebig erörterte. Gut zehn Jahre später und zum 50-jährigen Jubiläum des Theater am Saumarkt Feldkirch setzt sich deren Geschäftsführerin mit bekannten Denker:innen, Autor:innen und Wissenschaftler:innen wie Lisa Herzog, Sabine Kock, Stefanie Gerold, Konrad Paul Liessmann, Michael Hirsch oder Michael Wimmer zu „guter Arbeit“ auseinander. Wir führten dazu ein Gespräch mit der Autorin.

Impulse für die aktuelle und zukünftige Debatte möchte (KULTUR)ARBEIT DER ZUKUNFT!? bieten. Dazu werden zehn Positionen von Philosoph:innen, Wissenschaftler:innen, Soziolog:innen und Expert:innen in Interviewform vorgestellt. Die Gespräche, geführt von Sabine Benzer, fußen auf einem Themenrahmen, der beispielsweise verschiedene Arbeitsbegriffe, die Bewertung von Arbeit, deren Demokratisierung und gerechte Verteilung sowie Klimakrise, Künstliche Intelligenz und Arbeitsbedingungen umfasst.

Im Klappentext des Buches heißt es: 
"Der Diskurs über Arbeit brodelt. Philosophin Lisa Herzog zählt die Arbeit „zur menschlichen Natur gehörend“, denn die Menschen wollen etwas schaffen und sich als soziale Wesen in einem gemeinsamen Prozess einbringen. Wir leben nach wie vor in einer „Arbeitsgesellschaft“, in der alle Arbeit kapitalistischer Logik unterworfen ist: So wird zwar jegliche Betätigung zur Arbeit erklärt, aber letztendlich die Erwerbsarbeit als Maß aller Dinge in den Mittelpunkt gestellt. (...) Am Beispiel Kulturarbeit als Modell für eine zutiefst sinnstiftende menschliche Beschäftigung diskutieren Expert:innen wie Tobias Fend, Stefanie Gerold, Lisa Herzog, Michael Hirsch, Sabine Kock, Konrad Paul Liessmann, Andreas Oberprantacher, Barbara Prainsack, Pamela Rath und Michael Wimmer über „gute Arbeit“.

 
Wir befragten Sabine Benzer zu ihrem Buch. Das Gespräch führte Mirjam Steinbock.


Sabine, vorab ein großes Kompliment an Dich für Deine umfassende Recherche und tolle Interviewführung und ein Danke für dieses im gesellschafts- und kulturpolitischen Kontext relevante Buch! Was gab den Anlass dazu?

Tatsächlich trage ich mich schon einige Zeit mit der Idee, Kulturarbeit als gute Arbeit vor den Vorhang zu heben und zu diskutieren. Die Debatte um die Digitalisierung, die so viel dieser menschlichen Tätigkeiten frisst, und dass Arbeit so wichtig für uns alle ist - das alles hat gesellschaftspolitisch einen solchen Stellenwert, dass ich mir immer dachte, ich möchte Kulturarbeit als gute Arbeit präsentieren. Das war der Hintergrund und dann habe ich einige Jahre dafür gebraucht, weil ich eine breite Debatte mit den Interviewpartner:innen führen wollte. Ausgehend vom Arbeitsthema, weil das so hochgekommen ist, nicht zuletzt von Franziska Schutzbach mit ihrem Buch „Die Erschöpfung der Frau“. Dieses Thema Erwerbsarbeit, das so stark im Fokus ist, an dem sich alles so orientiert, wobei Frigga Haug ja schon vor Jahrzehnten diskutiert hat, dass es so viele andere Arbeitsfelder und Tätigkeiten daneben gibt. Es muss unbedingt hinterfragt werden, wie Arbeit zu bewerten ist.


Wer sollte die Publikation lesen, wen hast Du vor Augen?

Ich glaube alle, die sich für so eine gesellschaftspolitischen Diskurs von Arbeit interessieren. Wie soll Arbeit bewertet werden, wie soll gerechter verteilt werden, demokratisiert werden, das sind ja Punkte, die die Interviewpartner:innen genannt haben, die so spannend sind und uns alle betreffen.

 

Wie hast du deine Gesprächspartner:innen ausgewählt und wie lange hast du dafür recherchiert?

Das Thema beschäftigt mich schon länger, da gab es immer wieder Momente, in denen Fachliteratur aufgetaucht ist, die mich besonders interessiert hat. Es ist sicher Lisa Herzog gewesen, die Demokratisierung von Arbeit so in den Vordergrund gestellt hat und das habe ich total spannend gefunden. Ich habe es ein bisschen davon abhängig gemacht, ob das Projekt zustande kommt und mir die Expert:innen das Gespräch zusagen. Lisa Herzog ist sehr daran interessiert, dass die Debatte Früchte trägt und war bereit zu überlegen, was sie heruntergebrochen auf die Kulturarbeit bedeutet. Ähnlich bei Michael Hirsch, der Kulturarbeit mit einer progressiven Desillusionierung in Zusammenhang bringt und das System so durchdenkt und radikal hinterfragt - das hat mich sehr beeindruckt. Und ich wollte natürlich auch noch aufzeigen, was es für die Künstler:innen selbst bedeutet. Das Interview mit Tobias Fend ist herzerwärmend, auch er schwärmt von der Kulturarbeit, wie befriedigend sie ist.

Er sagte, besser als TV und Schokolade.

Ja, wir wissen, dass es so ist! Und ansonsten hat mich Sabine Kock mit SMART interessiert - eine Genossenschaft, in der Arbeit verteilt und gemeinsam organisiert und bestimmt und umgesetzt wird. Sie wollte ich auch immer interviewen, da habe ich mich sehr bemühen müssen, dass es geklappt hat und es hat funktioniert. Zum Teil waren es Sozialwissenschaftler:innen und Philosoph:innen, die zu dem Thema Arbeit forschen. Stefanie Gerold z.B., die sich zum Thema Arbeit und Nachhaltigkeit beschäftigt; sie ist wirklich eine ganz tolle Frau. Und Andreas Oberprantacher war einmal von der Arbeiterkammer eingeladen und hat einen Vortrag gehalten, im Zuge dessen bin ich auf ihn gestoßen. Barbara Prainsack ist Politikwissenschaftlerin und beschäftig sich eben auch ganz stark mit dem Thema Arbeit, auch international. Sie ist von der Stadtbibliothek Dornbirn eingeladen gewesen und da haben wir uns tatsächlich auch getroffen, das war ein Interview vor Ort. Auf Pamela Rath bin ich im Standard gestoßen, sie hat nämlich über gute Arbeit gesprochen und über New Work. Mit dem Begriff – der stammt ja aus den Siebzigerjahren – hat sie sich stark auseinandergesetzt und ist medial sehr präsent damit. Und der Michael Wimmer, er ist genial, er hat ein jahrelanges kulturpolitisches Wissen, er ist so tief drin in der Materie, auch international und ist überhaupt kein Romantiker. Mein Ansinnen, mit mir gemeinsam nach außen zu tragen, dass Kulturarbeit die wunderbarste Arbeit schlechthin ist, hat er total dekonstruiert und in den Boden gestampft. Zuerst müsste man es sich dort erst alles anschauen und reformieren, bevor man das Feld so positiv besetzen kann. Aber er hat auch gesagt, niemand kann mir vorschreiben oder verbieten, die Kulturarbeit als gute Arbeit zu bezeichnen. Das war ein bisschen die Versöhnung am Schluss.

Wie erfolgte die Reihung der Interviews?

Alphabetisch. Ich wollte die unterschiedlichen Beiträge zum Thema nicht hierarchisch strukturieren mit einer Art Resümee.Der Konrad Paul Liessmann verortet das immer sehr schon in der Philosophiegeschichte, darum mag ich das sehr gerne.

Wobei er Kulturarbeit nicht als Notwendigkeit sieht. Ich muss gestehen, beim Lesen dachte ich mehrmals – ich widerspreche!

Ich weiß. Aber du darfst nicht vergessen, dass er einer derjenigen ist, die sagen, Kunst und Kultur braucht es, daher muss es finanziert werden. Und das ist eine klare Ansage von jemandem, der einflussreich ist.
 

Lisa Herzog ist ja um einiges jünger als Konrad Paul Liessmann und sie äußerte ihre Sorge zur Zukunft akademischer Beschäftigungen und Liessmann, seit vielen Jahren arriviert, meinte, er hätte sich stets dagegen verwehrt, wenn er das Gefühl hatte, dass sich an der Universität arbeitsideologische Elemente wie in einem Industriebetrieb durchsetzen wollten. Ist das nicht auch eine Geschlechterfrage?

Klar, das Geschlecht und Generationenfrage, absolut. Konrad Paul Liessmann gehört einer Generation an, die in einer Zeit an der Uni Karriere gemacht hat, die prosperierend war und in der es die Erzählung gab, dass alles größer, besser, weiter würde. Und er hat sich da anders spielen können. Und dann merkst du bei den Aussagen dieser genialen Frauen wie der Lisa Herzog, Barbara Prainsack, den jungen Wissenschaftler:innen wie Andreas Oberprantacher und Stefanie Gerold, dass es katastrophale Verhältnisse gibt, auch im Bildungsbereich. Nicht nur in der Kulturarbeit, sondern auch dort. Du bekommst nur temporäre Verträge, du kannst jederzeit aus dem System herausfallen. Das ist furchtbar, wie soll da Wissenschaftsarbeit reüssieren, wenn du dauernd Angst haben musst, dass es keine weitere Finanzierung gibt?

In den Beiträgen werden viele Widersprüche sichtbar, die die Kulturarbeit ausmachen, wie z.B. bei Michael Hirsch, der von beschränkter und allgemeiner Ökonomie spricht. Das eine braucht das andere aber ein Spannungsfeld tut sich auf, wenn Kunst und Kultur nicht unter marktwirtschaftlichen Kriterien betrachtet werden sollen und auf der anderen Seite Betätigungen in der Kulturarbeit etwas wert sein müssen. Was dürfen wir in der Kultur denn einfordern?

Innerhalb der Interviews gibt es diese Widersprüche und unterschiedlichen Sichtweisen. Michael Hirsch sagt am Schluss, wie das Ideal aussehen könnte. Er meinte, man müsste daneben einen Teil gut bezahlter Lohnarbeit haben und das ist doch etwas, wo ich schlucke, und sage, die Kulturarbeit selbst ist ja Arbeit, warum kann die nicht im Mittelpunkt stehen, warum muss ich daneben noch Weiteres machen? Aber so wird oft argumentiert. Andreas Oberprantacher sagt ja auch, wir müssen damit leben, dass es ganz unterschiedliche Arbeiten in unserem Leben gibt. Eine Sorgearbeit innerhalb der Familie, Pflege, Kinder, … und auf der anderen Seite Lohnarbeit.

Es wird auch so vieles als Arbeit betitelt. Stellst sich doch die Frage, ob alles Arbeit ist oder es eine Differenzierung von Arbeit und Tätigkeiten geben muss.

Das ist auch ein Thema, das hat Lisa Herzog gesagt, dass alles als Arbeit bezeichnet und dieser Logik unterworfen wird, aber auf der anderen Seite wissen wir auch, dass dann die Möglichkeit besteht, eine Finanzierung und entsprechende Rahmenbedingungen dafür zu fordern. Es ist eine schwierige Situation und ein Spannungsfeld, das finde ich auch.

Und dazu braucht es Paragdigmenwechsel hört man bei den Interviewten. Erwerbstätigkeit und Lohnarbeit unterliegen immer noch dem Paradigma des kontinuierlichen Wachstums.

Ja, es ist ein sehr starres System, aber ich denke, es gibt jetzt auch sehr viele Ansätze, die sich damit auseinandersetzen, was falsch läuft und das thematisieren. Wachstum als ökonomische Kategorie wird auch im Kontext der Diskussion von Arbeit sehr kritisch hinterfragt. Wenn Arbeit zum Beispiel Produkte schafft, die eigentlich niemand braucht. Das hat mich auch sehr angetrieben, das Projekt zu machen. Expert:innen, die nicht aus dem ursprünglich Ökonomischen kommen, sondern Philosoph:innen und Soziolog:innen sind, die das als gesellschaftspolitisches Thema anlegen und breit kommuniziert haben wollen und da dachte ich, dass das Buch dazu ein Diskussionsbeitrag sein kann. Und ich habe schon das Gefühl, dass da sehr konkrete Anstöße da sind.

Vielen Dank für den Einblick, den Austausch und viel Erfolg für weitere Gespräche!

 

 

Sabine Benzer
(Kultur)Arbeit der Zukunft!?
Impulse für die aktuelle und zukünftige Debatte

ISBN 978-3-7065-6357-4
216 Seiten, Klappenbroschüre
Erscheinungstermin: 27.11.2024
Zu bestellen beim Studienverlag hier.

Zur Autorin:
Sabine Benzer, Studium Kunstgeschichte und Kulturmanagement in Wien, Geschäftsführung Theater am Saumarkt in Feldkirch, Lehrveranstaltungen zu Kulturmanagement und Kulturvermittlung an der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg. Publikationen u. a. „Kulturelles Erbe. Was uns wichtig ist!“ Wien: Folio Verlag, 2020; (Hg. gemeinsam mit Marie-Rose Rodewald-Cerha:) „V#40 – Ach, KI! Literarische Beiträge zu sprachbasierter Künstlicher Intelligenz“. Dornbirn: edition-v, 2024.

 

Cover: Umschlagfoto Marc Lins, Kunstprojekt Nadine Hirschauer in der Villa Müller