Treibgut - Ein Materialumschlagplatz für Münchens freie Szene
IG Kultur im Gespräch mit Katharina Wolfrum und Jonald Khodabakhshi über das Treibgut, ein Umwelt- und Recyclingprojekt und ein Umschlagplatz für Münchens freie Szene.
Was ist Treibgut? Mehr ein Umwelt- oder Kulturprojekt?
Wir sind einerseits ein Umwelt- und Recyclingprojekt, bei dem vom Gedanken ausgegangen wird, Material nicht zu entsorgen, sondern in einen Kreislauf zurück zu führen. Zum anderen sind wir aber auch ein Kulturförderprojekt, in dem Sinn, dass wir der freien Szene Alternativen für teuer gekauftes Material anbieten können. Unser Gedanke ist, die Budgets dabei stückweise zu entlasten, so dass am Ende für die Künstler*innen und Kulturschaffenden mehr Geld für Honorare übrigbleibt.
Wo findet sich das Treibgut?
Wir sind im Münchner Kreativquartier beheimatet, einem Ort, an dem Wohnen, Arbeiten, Kultur und Leben zusammenkommen Dieses Quartier gibt‘s schon seit dreißig Jahren. Wir als „Treibgut“ sind da im Jahre 2014 reingegangen. Damals wurden von der Stadt einige Gebäude zur Zwischennutzung geöffnet. Wir sind im Rahmen einer großen Ausstellung aktiv geworden, bei der wir den Künstler*innen Materialien zukommen lassen konnten. Bei der Gründung gab‘s dann auch einen Impuls von den Kammerspielen, die unser Projekt unterstützen wollten.
In der Zwischenzeit sind wir mit mehreren größeren Häusern wie den Pinakotheken, der Villa Stuck oder dem Lehnbachhaus in Kontakt. Bei den technischen Leiter*innen sind wir immer auf offene Ohren gestoßen, denen blutet ja das Herz, wenn sie ihr Material wegschmeißen müssen.
Wie groß ist Treibgut?
Wir haben jetzt 150 Quadratmeter Lagerfläche, könnten allerdings locker die dreifache Menge an Raum bis oben hin zum Anschlag füllen. Grob geschätzt haben wir, was München betrifft, überhaupt nur drei bis fünf Prozent der möglichen Materialquellen angefragt. Von den festen Kooperationspartnern nehmen wir fünfzig bis siebzig Prozent der angebotenen Materialien an. Dabei spielt immer eine Rolle, wieviel Zeit und Raum haben wir.
Von den Mitarbeiter*innen sind wir mittlerweile zu fünft in einem festen Team. Dazu kommt noch ein Kreis von Helfer*innen rundherum, die uns vereinzelt bei Transporten, Ein- und Ausladen helfen.
Wer kann eure Angebote nutzen?
Treibgut ist als Materialumschlagplatz für Münchens Kreativszene gedacht. Unser Fokus geht natürlich in Richtung Kultur. Dadurch, dass der Umweltgedanke so wichtig ist und auch unser Platz so begrenzt, kann aber jeder oder jede kommen, wenn man privat etwas aus nachhaltigem recyclebaren Material bauen will.
Wie werden die Sachen ausgewählt, die ihr übernehmt?
Viele Organisationen kommen da auf uns zu. Mit manchen technischen Leiter*innen sind wir in so engem Kontakt, dass die anrufen und sagen, in drei Wochen wird die Ausstellung abgebaut, das und das bleibt übrig, seid ihr interessiert? Wir schauen uns die Sachen dann an und überlegen, wie kann man es wiederverwerten.
Was zahlen die Leute dafür?
Wir wollten ein flexibles Preissystem machen. Das unterste Niveau ist für soziale und kulturelle Hilfsprojekte. Wenn wer bei seinem Kunstprojekt alles privat finanziert, dann setzen wir den Unkostenbeitrag auch relativ weit unten an. Wenn das Budget groß ist, dann nehmen wir auch einen entsprechenden Anteil. Aber es ist glücklicherweise so, dass die, die kommen, kein großes ökonomisches Interesse haben. Denen geht‘s um die Nachhaltigkeit.
Ihr vermittelt nicht nur, sondern beratet auch?
Beratungen und Gespräche, in die unser Wissen einfließt, werden immer wichtiger, z.B. mit den Geber-Einrichtungen zu den Fragen, wie kann man so produzieren, dass man das Material selber noch mal verwerten kann. Oder dass man darauf achtet, dass es wiederverwertbar ist. Alle Verbundstoffe oder was z.B. verklebt wurde, nehmen wir gar nicht mehr an.
Die Beratung von Nutzer*innen macht uns auch wahnsinnig Spaß, da wir ja selber an künstlerischen Prozessen interessiert sind und dabei ein bisschen in die kreative Richtung denken können. Einige haben ihre Arbeit überhaupt derart umgestaltet, dass sie erstmals bei uns vorbeischauen, bevor sie einen Entwurf machen oder zu planen anfangen
Werdet ihr als Verein gefördert?
Wir werden mit dem Raum gefördert, haben keine Miet- und Nebenkosten. Der Unkostenbeitrag geht für unsere laufenden Ausgaben drauf. Wir brauchen z.B. einen Transporter und Werkzeuge. Derzeit betreiben wir das als ehrenamtliches Freizeitprojekt.
Wir sind gerade in der Gründungsphase für eine gemeinnützige Unternehmensgesellschaft. Dann ist das Ziel schon, dass wir zusätzliche Förderungen bekommen, die die Personalkosten einigermaßen abdecken.
Hat sich in den letzten Jahren die Sichtweise auf Organisationen wie Treibgut verändert?
Wir kriegen in der Zwischenzeit immer mehr Anfragen von neuen Personen aus Theatern, die sich als Nachhaltigkeitsbeauftragte vorstellen und die mit uns kooperieren wollen. Mittlerweile sind wir auch überregional vernetzt, es gibt ein Netzwerk an Materialinitiativen im deutschsprachigen Raum. München hat ja jetzt auch eine Zero-Waste-Strategie. Von vielem, was da gesprochen wird, können wir sagen, das machen wir ja seit Jahren.
Wir haben aber schon gemerkt, dass wir bei einigen so unkompliziert wie möglich arbeiten müssen. Sobald es umständlicher wird, geht man lieber den konventionellen Weg und entsorgt, weil man das mit wenig Personalaufwand machen kann. Aber je mehr der Druck nach einer besseren Öko- oder Co2-Bilanz steigt, desto mehr stehen die Türen für uns offen.
Katharina Wolfrum ist studierte Theater- wissenschaftlerin und Kulturmanagerin, sie war von 2015 bis 2021 auf dem Kreativquartier München tätig. Seit 2021 ist sie Mitarbeiterin im Kulturreferat der Stadt München.
Jonald Khodabakhshi ist Gründungs- mitglied und Mitarbeiter in der Material- initiative „Treibgut“.