Netzkultur unter Schwarz-Blau. Konvergenz zum Kommerz?

Die politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit von alternativen Kultur- und Medieneinrichtungen ist in Österreich bedroht. Restriktive Förder- und wirtschaftliche Zensurpolitik nimmt an Umfang und Intensität zu. Für die Regierung sind innovative Kultur und Freie Medien gefährlich.

Die politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit von alternativen Kultur- und Medieneinrichtungen ist in Österreich bedroht. Restriktive Förder- und wirtschaftliche Zensurpolitik nimmt an Umfang und Intensität zu. Für die Regierung sind innovative Kultur und Freie Medien gefährlich. Unter Schwarz-Blau geht es auch Initiativen der Netzkultur nicht besser, deren zentrale Funktion von strukturierter Aufbauarbeit und Zurverfügungstellung technischer Mittel (Public Access Internet Service Providing) über Sammlung und Vermittlung von Medienkompetenz bis zu explizit auf das kulturelle, soziale oder politische Feld ausgerichtete Handlungen mit und durch das Internet reicht.

Obwohl die Regierung die "Digitalisierung der Verbreitungstechnologien und die Frage der Konvergenz zwischen den Medien" in ihrem Programm ausdrücklich erwähnt und demzufolge wohl für wichtig erachtet, werden regelmässig falsche, verwirrende und widersprüchliche Signale zur staatlichen Verantwortung für Konvergenz ausgesendet. Und weitgehend wird negiert, dass Netzkultur wesentliche Beiträge nicht nur zur technologischen Konvergenz, sondern auch zu ihrer gesellschaftlichen Integration und kulturellen Innovation leistet: Sie hat bereits sehr früh eine Pionierfunktion übernommen, die Kunst und Kultur in Zusammenführung mit digitalen Medien vielfältig zum Ausdruck bringt und damit freie Meinungsäußerung im öffentlichen Raum stärkt und fördert.

Dazu ein paar Beispiele: Der für Netzkultur verantwortliche Staatssekretär Franz Morak bestätigt, dass etwa das hervorragende Abschneiden des Projekts World-Information.org von Public Netbase, ein Katalysator österreichischer Netzkultur, beim EU-Programm "Culture 2000" ein "hervorragendes Ergebnis sei ... (und) einmal mehr die vielfältige, innovative und qualitätsvolle heimische Kulturszene in Österreich" zeige. Doch gleichzeitig lässt Morak erkennen, dass es gerade bei den VermittlerInnen von Netzkultur zu Einschränkungen bei den Förderungen kommen wird. Nachdem Bundeszuwendungen an Public Netbase bis zum Vorliegen eines Prüfberichts eingefroren wurden, blockierte zuletzt auch die Landes-ÖVP bereits zugesagte, überlebensnotwendige Subventionen und treibt damit das international ausgezeichnete Wiener Team in den wirtschaftlichen Ruin.

Auch Infrastrukturminister Michael Schmid lässt sich im Wirtschaftsblatt vom 10.3.2000 zur unmissverständlichen Erklärung hinreissen, dass "der Internet-Markt sich von selbst entwickeln" werde, und damit sei vom Staat die Schaffung von infrastrukturellen Voraussetzungen bestehend aus Servern, Standleitungsanbindungen, Einwahlmöglichkeiten, effektiver Bandbreite und Arbeitsplätzen insbesondere für Internet-Kulturvermittler nicht zu erwarten.

Konvergenz ist ein umstrittenes Modewort und beschreibt den evolutionären Prozess des Zusammenwachsens der ursprünglich weitgehend unabhängig operierenden Bereiche Informationstechnologie, Telekommunikation und Medien mit dem Internet. Der Begriff kennzeichnet die Annäherung der Technologien, die Verbindung der Wertschöpfungsketten sowie das Zusammenwachsen der Märkte insgesamt. Als Musterbeispiel dient hier die geplante Fusion von AOL und Time Warner, die es Time Warner ermöglichen würde, die Fülle seiner Programme und Produkte (CNN, Time, Fortune) übers Internet auszuliefern, wo 22 Millionen AOL-Kunden bereit wären, Gebühren für Information oder Unterhaltung zu zahlen. America Online würde seinerseits Zugang zu Medieninhalten und zum leistungsfähigen Kabelnetz von Time Warner gewinnen.

Hierzulande leiden unabhängige, weil nicht-staatlich und nicht-marktwirtschaftlich orientierte Netzknoten und -initiativen bislang im wesentlichen unter Mangel an Leitungsverbindungen mit höherer Bandbreite, die für schnelle und multimediafähige Internetkommunikation notwendig ist, und teurem ‚Internationalen Traffic', der bei Zugriff aus dem Ausland anfällt. Mit den Budgets der Kulturplattformbetreiber sind Konvergenzprojekte jedenfalls kaum finanzierbar.

Zum anderen fällt auf, dass dem Konvergenzmotor Internet und seinen vielfältigen kommunikativen Möglichkeiten die Vereinnahmung durch rein kommerzielle Anwendungen droht. Auch aus dem Kunststaatssekretariat ist zu vernehmen, dass nicht-kommerzielle, weil Öffentlichkeiten (zurück-) erobernde Netzkulturinitiativen Allianzen mit der Wirtschaft einzugehen hätten (Stichwort: creative industries). Mit dieser neoliberalen Programmatik der Kolonialisierung von Netzkultur durch eCommerce soll erreicht werden, dass marktwirtschaftliche Parameter zum Entwicklungsgarant für netzkulturelle Innovation werden.

Demgegenüber betont das konsortium.Netz.kultur, eine im März 2000 gegründete Interessenkoalition österreichischer Netzkulturinitiativen, die Notwendigkeit staatlicher Verantwortung für aktive Förderung von Netzkultur, die sich eben nicht in einer e-Mail Adresse für jedeN ÖsterreicherIn erschöpft. Ganz im Gegenteil: Zuerst müssen kulturelle Beziehungen aufgebaut werden, dann kommen die kommerziellen.

Der Staat hat Netzkultur aktiv zu fördern. Zu diesem Schluß kommt auch Robert Adrian X, in Wien lebender prominenter net artist in einem Interview mit PUBLIC VOICE Lab, einem Forschungslabor für das Internet und Mitglied des konsortium.Netz.kultur. Es sei quasi naturgemäss im Interesse des Staates, Netzknoten zu subventionieren. Einerseits wird die kreative Benützung des WorldWideWeb angeregt, was mithin auch den Tourismus ankurbelt und NetzkünstlerInnen einen Broterwerb ermöglicht, und andererseits wird politische Kontrolle möglich. Unterstützt der Staat einen lokalen Kulturserver wie Public Netbase, ergibt sich daraus die Möglichkeit, künstlerische und kulturelle Aktivitäten zu kontrollieren. Bob zynisch: "Man subventioniert diese Leute und weiss dann, wer sie sind, wo sie sind, was sie machen und, wenn es hart auf hart geht, sperrt man den Laden einfach zu." Diese Politik der Kontrolle bei gleichzeitiger Duldung von Strukturen weicht nun aber zusehends einer Zerschlagung der Strukturen bei gleichzeitiger Kontrolle über Kulturschaffende (z.B. mittels Stipendien).

Anders und positiver gesehen leitet sich Regulierungsbedarf aus der Grundcharakteristik des Internet als öffentliches Gut her, das bei Verfügbarmachung für andere im Wert steigt. Internetökonomen stimmen weitgehend darin überein, dass universal zugängliches Internet die Eigenschaften eines öffentlichen Gutes aufweist. Ist ein Netzwerk gebaut, NutzerInnen zur Verfügung gestellt und nicht überlastet, nimmt es dann an Wert zu, wenn zusätzliche User es benutzen. Diese positive Netzwerkexternalität, die auf Nicht-Ausschliessbarkeit und Nicht-Rivalität im Konsum sowie auf Interoperabilität vorhandener offener Netzwerke und Technologien basiert, führt zu volkswirtschaftlichen Einsparungen, die es politisch zu unterstützen gilt.

Dass ProponentInnen eines kommerziell verwertbaren Marktes für Internet-Anwendungen, die Unterhaltung, Information, Kommunikation und eCommerce-Funktionen gewinnträchtig kombinieren, bereits den Sieg über zukünftiges Wachstum und Entwicklung des Internet ausgerufen haben, sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass das Internet eben auch public interest-Qualitäten aufweist, die wohlstandsmaximierend einzusetzen sind. Neben Netzwerkexternalität sind damit positive informationale Externalitäten gemeint, wie etwa Meinungsvielfalt und kulturelle Vielfalt, die der soziokulturellen Entwicklung moderner Gegenwartsgesellschaften förderlich sind und zu einer Stärkung der öffentlichen Sphäre beitragen. Neben Regulierungsnotwendigkeiten im Wettbewerbs- und Urheberrecht, Kinder- und Jugendschutz, Daten- und Verbraucherschutz ergeben Vorgaben zum Erhalt von Kulturvielfalt einen gesellschaftlichen Bedarf zur staatlichen Regulation des Internet.

Was die Kulturprovider betrifft, müssen zunächst Infrastrukturen und Bandbreite da sein. Also: es geht nicht um die Verstaatlichung des Internet, sondern um die Förderung von Netzkultur verstärkenden Infrastrukturen.

Paul Murschetz ist freier Medienwissenschafter und stv. Obmann von PUBLIC VOICE Lab, leitet das EU-geförderte F&E; Konvergenzprojekt Trimedia www.orb.de/trimedia