Regierungswatch UrheberInnenrecht

Um es kurz zu sagen: Während die einen (in der zweiten Reihe) seit Jahren auf die diskursive Entwicklung alternativer Ansätze und auf internationale Perspektiven setzen, haben die anderen angefangen, das politische Potenzial der Verknüpfung von Eigentumslogik und künstlerischer Repräsentation abzuschöpfen.

Aussagen und Ansagen aus SPÖ und ÖVP.

Um es kurz zu sagen: Während die einen (in der zweiten Reihe) seit Jahren auf die diskursive Entwicklung alternativer Ansätze und auf internationale Perspektiven setzen, haben die anderen angefangen, das politische Potenzial der Verknüpfung von Eigentumslogik und künstlerischer Repräsentation abzuschöpfen. Auch wenn diese Verschiebung oder Restrukturierung der Parteiaffinität eines Teils der heimischen KünstlerInnen und ihrer VertreterInnen (die ÖVP war ja an sich seit Schwarz-Blau relativ erfolgreich geächtet) ein spannendes Thema wäre, soll es im Folgenden um die handlungspolitische Substanz der Regierungsparteien beim Thema UrheberInnenrecht (UR) gehen.

SPÖ: Politisches Handeln versus diskursive Aussagen

Öffentliche Markierungspunkte: Parlamentarische Klub-Enquete 2010, Positionspapier, Durchwinken von ACTA, Festvortrag und Barcamp, Abqualifizierung von oben. Während eine kleine Taskforce rund um Kultursprecherin Sonja Ablinger praktisch seit Beginn der Arbeitsprozesse zur sozialen Lage der KünstlerInnen ein elaboriertes Arbeitsprogramm zum UR abseits reiner Parteilogik im Sinne eines politischen Positionen-Findungs-Prozesses vorantreibt, übt sich die SPÖ insgesamt in schon gewohntem Schweigen – und sogenanntem „pragmatischem“ Handeln. Konkret gibt es seit Ende 2011 das SPÖ-Positionspapier „Blogger aller Länder …?“, in welchem – ausgehend von einer sozialen Logik – der Zugang zu Wissen in den Mittelpunkt gestellt wird. Im Schlusskapitel, dem einzigen konkreten zum Thema UR, sind zahlreiche Forderungen enthalten (etwa Einführung eines UR-Vertragsrechts (UVR), Einführung einer Fair-Use-Schranke, Umverteilung der generierten Einkommen zugunsten der UrheberInnen), die – formal vom Parlamentsklub der SPÖ erhoben – bisher keinen sichtbaren Niederschlag in der Regierungspolitik gefunden haben. So angenehm es ist, im Rahmen des Barcamps einen Tag lang UR-Diskussionen ohne Reizworte wie „Diebstahl“ und „geistiges Eigentum“ zu führen, lässt der sichtbare Mangel an tatsächlichem politischen Willen der SPÖ – in Verbindung mit dem Durchwinken von ACTA im MinisterInnenrat (konkret zum Glück wenig relevant für ACTA) und mit der Abqualifizierung des eigenen Positions- als Diskussionspapier durch die für Kunst zuständige Ministerin Schmied – wenig Hoffnung auf mehr Aktivitäten. Es sieht alles danach aus, als würde die SPÖ (wieder einmal) tun, was die ÖVP vorschlägt – gerechtfertigt mit dem politischen Pragmatismus des Möglichen. Der Pluspunkt: Im Unterschied zu praktisch allen diskursrelevanten Ecken forciert die SPÖ das Sichtbarmachen von Sprecherinnen in der Agenda – mit sichtbaren Ergebnissen.

ÖVP: Katholischer Protektionismus

Praktisch zeitgleich mit dem Barcamp der SPÖ lud die ÖVP zu einer parlamentarischen Klubenquete: programmatisch am Welttag des geistigen Eigentums – der Welttag des UR ist einige Tage früher … Unter der symbolischen Schirmherrschaft von Engelbert Dollfuss (bzw. seines Portraits im VP-Klub-Sitzungssaal) versammelte die ÖVP neben VerfechterInnen der freien Marktwirtschaft (jener Teil, der sofort nach staatlichem Protektionismus ruft, sobald andere „ihre“ Gewinne abschöpfen) und einem etwas deplatziert wirkenden Niko Alm als ausgestelltem Vertreter eines „Alles Gratis“ die so bezeichnete „Gigantenrunde“ – KünstlerInnen und ProduzentInnen der Initiative Kunst hat Recht sowie Stefan Ruzowitzky. Letztere begeisterte die anwesenden ÖVP-FunktionärInnen mit einem zur Schau gestellten „Schulterschluss von Kulturschaffenden und Kulturproduzenten“ (Fuhrmann via OTS) und der Möglichkeit schöner Fotos. Erstere hingegen setzten sich inhaltlich durch: Während Justizministerin Karl in ihrem Eröffnungsstatement nicht nur die Festplattenabgabe ankündigte, sondern auch Cessio Legis und UVR erwähnte, legten Fuhrmann, Donnerbauer und Kopf am Ende das UR-Programm der ÖVP dar: Wiederbelebung der privaten Auskunftsansprüche an (private) Provider via Vorratsdaten (Rechtsdurchsetzung), Einführung eines Three Strikes (Rechtsdurchsetzung) und Leistungsschutzrecht für Medienverlage (Fair Trade in der digitalen Ökonomie) – begründet mit den zehn Geboten (insbesondere dem gegen Diebstahl) und mit einer klaren Feindverortung: Die Feinde sitzen nämlich im Ausland – Google, Facebook und die Content-AggregatorInnen in den USA; sowie kino.to, megaupload oder filesharing und Newsgroups-BetreiberInnen in Russland, der Karibik und „Afrika“. Am nettesten war noch die knallige Verlegenheitsröte im Gesicht des grün-affinen Filmproduzenten Danny Krausz, als Stefan Ruzowitzky die urheberInnenfeindlichen Komponenten des heimischen Film-UR kritisierte.

Aktuelle Tagesordnung?

Geht es also nach den Ansagen aus SPÖ und ÖVP, ist die UR-Tagesordnung festgelegt. Unter Einrechnung der aktuellen Kompromissformel in der Regierung sind ein Leistungsschutzrecht für Verlage und die Wiederaktivierung privater Datenanfragen via Zugriff auf die Vorratsdaten als Konklusion zu erwarten. Gleiches gilt für die Festplattenabgabe, wenn auch schlussendlich verfochten von der SPÖ, die Three Strikes-Regelung hingegen eher nicht (es sei denn, ACTA geht demnächst doch durch das europäische Parlament). Agenden wie die Einführung einer Fair-Use-Schranke, eines UVR, einer Flatrate für die Entkriminalisierung des nichtkommerziellen digitalen Tausches oder auch nur ein Zugeständnis an die UserInnen als Gegenleistung für die Festplattenabgabe stehen so sehr abseits, dass eine Einforderung kaum mit kurzfristigen Ergebnissen verknüpfbar scheint. Anlass zur Hoffnung gibt aber die seit Jahrzehnten aktive (Netz-)Politik-Community, der es nicht zuletzt zu verdanken ist, dass das Topic UR überhaupt auf der politischen Tagesordnung steht. In dem Kontext ist es natürlich schade, dass Kunst hat Recht den angekündigten Nationalfeiertagsboykott still und heimlich abgesagt hat (dank der ÖVP-Wertschätzung) – alleine der Versuch könnte einigen Unfug zu verhindern helfen.

Dominic Huah lebt und arbeitet in Wien.

Weitere Informationen

www.netzpolitik.spoe.at
www.oevpklub.at
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